Umgebungsfaktoren

Milieutherapie bei Menschen mit Demenz zur Förderung des Appetits

Ablehnendes Essverhalten ist oft das Symptom oder die Reaktion der dementen Person auf eine „feindliche Umgebung“. Wenn es gelingt die Umgebung an die „seelischen“ Bedürfnisse des Betroffenen anzupassen verschwindet auch das herausfordernde Verhalten. Man ist nicht immer erfolgreich doch mit Biografiearbeit, Einfühlungsvermögen in die Welt des Demenzkranken und detektivischen Feingefühl gelingt es nicht selten jemanden ohne Zwang wieder zum Essen und Trinken zu bewegen. Der Wunsch zu sterben ist eventuell eine Möglichkeit, wie das Verhalten interpretiert werden kann, nur ist es gefährlich, wenn eigene subjektiv geprägte Moralvorstellungen die Interpretation des Verhaltens beeinflussen. Deswegen sollten solche Annahmen immer nach Ausschluss anderer Möglichkeiten und immer im Team, bzw. gemeinsam mit allen betreuenden Personen, getroffen werden.
Weitere Motive für ablehnendes Essverhaltens könnten sein:

Der Demenzkranke fühlt sich fremd und nicht angenommen

Wenn betagte Menschen in ein Pflegeheim kommen, müssen sie ihre gewohnte Umgebung verlassen, in der sie sich sicher und geborgen gefühlt haben. Sie sind gezwungen sich in einer völlig neuen und fremden Umgebung zurechtfinden. Dieses Problem gilt für kognitiv unbeeinträchtigte Senioren ebenso wie für beeinträchtigte. Jedoch für demente Menschen, welche sich aufgrund ihrer Erkrankung nur kaum noch neue Situationen einstellen können, kann ein „Umzug“ negative psychische Auswirkungen haben. Sie haben das Gefühl die Kontrolle zu verlieren fürchten sich in der „fremden“ Umgebung und wollen „flüchten“, dies hemmt den Appetit. Ein Umzug in ein Pflegeheim lässt sich leider nicht immer vermeiden, wenn der Pflegeaufwand mit Fortschreiten der Erkrankung oft zu Hause nicht mehr gewährleistet werden kann. Milieutherapie, Biografiearbeit und personenzentrierte Pflege können jedoch diese Phase gut überstehen lassen und helfen dem dementen Menschen sich in der neuen Umgebung wieder zurechtzufinden und „zuhause“ zu fühlen.

Virtuelles Schlafzimmer (dsdc)

Virtuelles Pflegeheim

Eine angenehme und den Bedürfnissen der Demenzkranken angepasste Umgebung ist sehr wichtig für das körperliche und seelische Wohlbefinden. Zum einen haben viele Demente – vor allem Alzheimerkranke – einen enormen Bewegungsdrang. Dieser dient dem Abbau innerer Spannungen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass sie die Möglichkeit haben den Bewegungsdrang ungehindert auszuleben. Die Gestaltung des Heimes und der Räume sollte freundlich und offen sein, da die Kranken viel Licht und Luft benötigen. In dunklen Zimmern reagieren sie leicht ängstlich oder aggressiv. Vor allem bedrohlich wirkende Schatten können bei den dementen Menschen Fehldeutungen hervorrufen. Eine unfreundliche und dunkle Umgebung, wirkt sich somit natürlich auch negativ auf den Appetit aus. Eine sinnvolle Einrichtung sind Wohnküchen, in denen die Bewohner zusammen mit den Betreuern ihr Essen selbst zubereiten können. Durch den Essensduft wird der Appetit der Patienten gesteigert. Die Universität stellt auf ihrer Internetseite ein virtuelles demenzfreundliches Pflegeheim und Krankenhaus vor.

Für einen schwerst pflegebedürftigen dementen Menschen ist es wichtig, dass er mit Reizen versorgt wird. Wenn er die meiste Zeit des Tages im Bett verbringt, sich selber nicht mehr drehen kann, wenn sein Blick stundenlang nur auf eine weiße Wand oder Decke gerichtet ist, wird er sich immer mehr innerlich zurückziehen. Um dem entgegenzuwirken, bietet die Basale Stimulation eine Reihe von Möglichkeiten, um mit dem dementen Menschen Kontakt aufzunehmen. Kommunikation ist nicht nur bis zum Lebensende möglich sondern auch essentiell für eine menschenwürdige Versorgung. Das Konzept der palliativen Geriatrie ist in der letzten Lebensphase Grundlage für pflegerisches handeln.

Einsamkeit und Depression

In der leichten bis mittelschweren Phase der Demenz können Ernährungsprobleme auch Symptome einer Depression sein. Depressionen können mit Medikamenten sehr gut behandelt werden. Es gibt aber auch psychotherapeutische Methoden, die eine positive Auswirkung auf die Stimmung des betagten Menschen haben. Wichtig ist es, dass eine differenzierte Diagnostik von einem erfahrenen Psychiater, Psychologen oder Gerontolgen durchgeführt wird. Eine einfacher Fragebogen (GDS-Geriatric-Depression-Scale) kann helfen eine Depression zu erkennen. Auch Symptome einer leichten Demenz können ein Hinweis auf eine Depression (Pseudodemenz) sein. Die Symptome verbessern sich wieder, wenn die Depression behandelt wird.

Angst schnürt den Hals zu und wütend sein lenkt ab

Ursache für eine Nahrungsverweigerung kann auch ein Angriff gegen sich selbst sein. Manche verwirrte Menschen nehmen dies ganz bewusst in Kauf, wenn sie den Gegner, den sie treffen wollen, nicht mehr treffen können. Meist ist also die Verweigerungshaltung die einzige Möglichkeit ihren Willen bzw. Protest gegen eine Person oder Umstände auszudrücken. Aggressionen sind
meist eine Bewältigungsstrategie durch Projektion, um mit den eigenen Defiziten, welcher der Betroffene nicht wahrhaben will, fertig zu werden. Aggressionen können bei Dementen sehr schnell entstehen, weil sie die Situationen oft anders wahrnehmen als Gesunde. Gefühle von dementen Personen müssen wahrgenommen und ernst genommen werden. Oft erlebt man, dass Betreuende mit dementen Personen streiten und diskutieren wollen. Sie versuchen die Auseinandersetzung auf rationelle und „vernünftige“ Art und Weise zu lösen. Wenn dies den Konflikt nicht löst, versuchen sie ihre intellektuelle Überlegenheit auszuspielen, um so den Patienten zum Einlenken zu bewegen. Das ist der berühmte Kampf gegen Windmühlen. Die ursprüngliche Emotion des Demenzkranken bleibt unbeachtet und bleibt erhalten. Der Umgang und die einfühlsame Kommunikation muss erlernt werden, um die Beziehung positiv zu gestalten, die sich, wie in wissenschaftlichen Studien bestätigt, auch positiv auf das Essverhalten auswirken kann.
Wenn ein gesunder Mensch Angst empfindet hat er in der Regel Strategien erlernt, um diese zu bewältigen. Er kann darüber sprechen, Hilfe holen oder er versucht den furchteinflössenden Situationen aus dem Weg zu gehen. Eine Person hat diese Strategien verloren. Wie kann ein dementer Mensch, der nicht mehr in der Lage ist sich selbständig zu waschen, der Harn und Stuhlgang nicht mehr kontrollieren kann, vermeiden, dass er jeden Tag an seinen intimsten Stellen berührt wird? Dieses Beispiel verdeutlich noch einmal wie wichtig ist, dass betreuende Personen sich in die Realität des Demenzkranken einfühlen müssen und deren Emotionen erkennen müssen.
Carl Gustav Jung: "Gefühle, die ausgedrückt und dann von einem vertrauten Zuhörer bestätigt und validiert (beachtet, geschätzt) wurden, werden schwächer, ignorierte oder geleugnete Gefühle stärker. Aus einer nicht beachteten Katze wird ein Tiger."

„Du willst mich vergiften!“

In ihrer Welt entwickeln Demenzkranke häufig Wahnvorstellungen. Ein Beispiel ist der Vergiftungswahn: Die Patienten bilden sich ein, man würde sie vergiften wollen. Solche Vorstellungen können durch Handlungen von Pflegepersonen entstehen, die von einem verwirrten Menschen zweideutig interpretiert werden können. Z. B. unerfahrene Pflegekräfte versuchen man bei dementen Bewohner/Patienten, die sich weigern ihre Medikamente einzunehmen, diese im Essen zu verstecken. In der Regel bemerken jedoch die Demenzkranken den Fremdkörper im Mund oder erkenne die „geheime“ Handlung. Die Annahme „man versucht mich zu vergiften!“, ergibt in seiner Realität einen Sinn. Deshalb ist es besonders wichtig zu versuchen versteckte Handlungen möglichst zu vermeiden. Man sollte als Betreuender sich durch die Wahnvorstellungen nicht kränken lassen auch wenn diese direkt gegen die pflegende Person ist ("Du willst mich vergiften").